Weltweiter religiöser Backlash, das Erstarken lange überwunden geglaubter Orthodoxien und das Festhalten von Regimes alter Männer an der Macht stellen zunehmend Freiheitsrechte auf den Prüfstand, von denen man über Dekaden annehmen konnte, sie seien endgültig durchgesetzt. Einmal erreichte Stufen im Emanzipationsprozess werden negiert, Geschlechterhierarchien neu verhandelt. Fragen wie die danach, wer zurück an den Herd muss oder im Bus hinten sitzt, dürfen, wie es scheint, in allen Gesellschaften wieder gestellt werden.

Das ist nicht ganz neu, und die Verwunderung darüber rührt zum Teil sicher auch aus einem Geschichtsverständnis, das soziale Entwicklung ganz unbegründet als naturgegeben gerichteten Prozess ansieht und von vornherein weiß, welche Werte universell, richtig und durchzusetzen sind. Wo sich doch herumgesprochen haben sollte, dass jede Winzigkeit von Übereinkunft je konfliktreich ausgehandelt werden muss. Immer. Und immer wieder neu.

Dennoch ist man stets aufs Neue überrascht, wenn man beispielsweise liest, „dass das Religionsministerium der Türkei eine Art Fatwa“ über einen Roman ausspricht, wie aktuell im Fall von Nedim Gürsels Buch „Allahs Töchter“. Gürsels wenig überraschendes und dennoch bedenkliches Fazit nach einem mehr als einjährigen Verfahren: „Die Türkei wird immer religiöser“.

Aber nicht nur dort, wo die Religion den Laizismus bedrängt und in die Schranken weist, sind Menschenrechte und Lebensmöglichkeiten bedroht. Auch in Staaten, in denen die Religion vom Regime weiter in Schach gehalten wird, können systematische Folter, organisierte Kinderarbeit und Massaker auf der Tagesordnung stehen.

Beispiel Usbekistan. Das Land wird im Deutschlandfunk als ausgesprochen schönes und ausgesprochen sicheres Reiseziel angepriesen, obwohl Human Rights Watch die Lage der Menschenrechte dort mit derjenigen in Syrien oder im Sudan vergleicht. Was den „Zauber des Staunens“ – so der Titel des Deutschlandfunkbeitrags von Katharina Nickoleit – beim Wandern entlang der Seidenstraße mit einem unguten Beigeschmack belasten dürfte.

Avaaz jedenfalls ruft zur Unterzeichnung einer Petition auf, die von den USA in Person Hillary Clintons fordert, „Zwangssterilisierungen und andere Menschenrechtsverbrechen in Usbekistan öffentlich zu verurteilen“. Also bitte mitzeichen – schließlich hatte ich vor, diese Weltregion in absehbarer Zeit zu besuchen. Und am liebsten mit einem guten Gefühl.