Formulare, Erklärungen, Anträge. Nachtelefoniererei, Exposés. Warten. Schreiben über Gewerbeimmobilien. Der ganze alltägliche Wahnsinn, dem man sich unterzieht, um ein Leben, das man den Rest der Zeit über auch mal genießen möchte, zu finanzieren. Jemand wie Günther Grass hat soetwas wahrscheinlich lange nicht mehr nötig. Er muss sich dafür aber – wie man inzwischen zur Genüge weiß – unablässig Sorgen um den Weltfrieden machen. Und dabei immer wieder aufpassen, dass ihm die eigene Vergangenheit nicht in die Parade fährt. Das macht auch Arbeit. Und ist unerfreulich. Vor allem für andere.
Die aktuelle Jungle World bietet dazu einen ganzen Themenschwerpunkt Der Antisemitismus grassiert, in dem alles Nötige nachzulesen ist. Neben einem einführenden Text von Klaus Bittermann gibt es ein Interview mit dem israelischen Schriftsteller Yoram Kaniuk, von dem der hier titelgebende Ausspruch stammt und der das Gedicht, den Dichter und seine Generation in die Kontexte der deutschen Geschichte und des europäischen Antisemitismus einordnet: „Ich denke nicht, dass dieses Gedicht irgendeine Bedeutung hat“ – der Geist, aus dem es stammt, aber schon.
In der taz erzählt der irakische Exilschriftsteller Najem Walis von einer Begebenheit mit Günther Grass aus dem Jahr 2003 im Jemen, die ihn zu dem Fazit kommen lässt: „Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, eine Bitte an ihn [Günther Grass] heranzutragen: Bitte unterlassen Sie es ab sofort, sich als ‚Freund der Araber‘ zu bezeichnen. Verschonen Sie uns mit Ihrer Freundschaft, unser Ruf hat schon genug gelitten – wir haben auch schon genug falsche Freunde.“
Und die Rationalgalerie, die sich gleich zu Beginn der Debatte auf die Seite des Mahners geschlagen hatte, hat inzwischen eine späte Rezension der Blechtrommel nachgeliefert – als Beweis dafür, dass Grass in einem bestimmten geschichtlichen Moment für die junge Bundesrepublik und ihre Aufarbeitung der nur wenige Jahre zurück liegenden Geschichte eben doch wichtig war. Auch wenn es lange her ist, und der Autor sich zwischenzeitlich das ein oder andere Mal gehäutet haben mag.
Auch in Deutschland lassen sich Bilder machen, die an Tel Aviv erinnern. Das sagt aber nichts über den Zustand irgendeiner Gesinnung.