Filme über die Schrecken der Welt zu machen, ist ein nachvollziehbares Anliegen. Seit es Kunst gibt, gehört das Ausmalen und Bebildern aller erdenklichen Qualen und Finsternisse zu ihren Sujets. Keineswegs aber entsteht da, wo Gewalt explizit ins Bild gesetzt und die Namen der Menschheits-Ungeheuer entgegen den Regeln des Diskurses ausgesprochen werden, automatisch die Bedeutung, die sich der Autor erhofft haben mag.

Die Unverstandenen

Lars von Trier liebt es, sich immer wieder als enfant terrible und unverstandenen Provokateur zu inszenieren. In Cannes hat er es 2011 auf der Pressekonferenz verstanden, sich einen – damals als lebenslang verkündeten – Bann vom Festival einzuhandeln, indem er darauf beharrte, Hitler wirklich verstehen zu können. Das hat er zwar in den Jahren danach abgemildert und sich entschuldigt. Dennoch spukt der Gröfaz auch durch von Triers neuen Film, mit dem er in diesem Jahr aufs Festival zurückgekehrt ist.

„The House That Jack Built“ erzählt in fünf „Vorfällen“ und einem Epilog von Jack (Matt Dillon), einem Ingenieur, der lieber Architekt wäre und sich außerdem als Serienmörder für einen großen Künstler hält. Vorfall eins zeigt ihn als unsicheren und verstockt wirkenden Mann, der von einer durchaus anstrengenden Frau (Uma Thurman), die er am Wegesrand aufliest, so lang provoziert wird, bis er sie mit ihrem eigenen Wagenheber erschlägt, womit das Morden beginnt.

Ein gesichtsloser Serienkiller und die Kulturtechniken des Abendlands

Allerdings entwickelt er auch in der Rolle des Killers kaum eine eigene Handschrift, sondern stolpert eher durch die eigene Geschichte. Und auch der Film wirkt unentschlossen, ob er sie nun als schwarze Komödie, Drama oder Suspense-Story erzählen soll. Immerhin aber wird Jack von Vorfall zu Vorfall eloquenter und männlich unrasierter.

Insgesamt scheinen sowohl seine Morde wie auch seine Nichtentdeckung in erster Linie dem Zufall geschuldet – oder der abgrundtiefen Gleichgültigkeit der Welt. Von der immerhin hat Jack ein tiefes Verständnis und führt sie in Vorfall 4 seiner kurzfristigen Beziehung Jaqueline (Riley Keough), die er in seinem erwachten Übermenschentum Simple nennt, ausführlich vor Augen.

Doch es gibt noch mehr, womit Jack sich auskennt: mit der abendländischen Kultur- und Kunstgeschichte nämlich, von ihren Ritualen und Techniken wie der Jagd und dem Weinbau bis zu ihren ikonischen Kunstwerken und deren Schöpfern; unter letzteren räumt Jack – selbstredend – Mao, Stalin und Hitler prominente Plätze ein.

Jack und Verge, Dante und Hitler

Seine Ansichten und sein Handeln diskutiert Jack im Off von Beginn an mit der Stimme von Verge. Gesprochen und gegen Ende auch gespielt wird der von Bruno Ganz. Der ist seit „Der Untergang“ der bekanntesten Hitlerdarsteller der jüngeren Kinogeschichte und bringt als europäischer Großschauspieler das nötige Gewicht mit, um dem Dialog mit dem Protagonisten auf dem Weg in die Hölle wahrhaft Dantesche Züge zu verleihen.

Dieses Zwiegespräch umspielt und transzendiert die eigentliche Handlung. Vergil oder Verge hat hier eine ähnliche Rolle wie der Erzähler und Kommentator in von Triers letztem Film „Nymphomaniac“. Nur ist er als Führer durch die Höllenkreise, als der er sich entpuppt, deutlich weniger verständnisvoll; er widerspricht Jack, indem er darauf beharrt, dass zur Kunst die Liebe gehöre, entlarvt viele von Jacks Argumenten als letztlich schwache Entschuldigungen für seine Unzulänglichkeit und hält ihm insbesondere seine Unfähigkeit als Architekt vor.

Vor allem aber ermöglicht diese Konstruktion es von Trier, neben dem Plot einen Essayfilm zu installieren, in dem er Filmaufnahmen und Stills von Personen der Weltgeschichte, Erklärvideos und große Kunstwerke nach Belieben aneinander assoziiert. Sequenzen aus dem eigenen Oeuvre – etwa die Qualen, die Willem Dafoe in „Antichrist“ erleidet oder die Weltuntergangsszene aus „Melancholia“ – präsentiert der Dänische Meisterregisseur in diesem Zusammenhang ganz selbstverständlich besonders prominent.

Geschmackloses Großmackertum

Keine Frage, dass hier einmal mehr alle Kultur und Kunst als männlich und Frauen allein als Opfer auftreten dürfen. Klar auch, dass Jack am Ende sehr endgültig scheitern muss. Immerhin hierfür findet der Epilog nach mehr als zwei Stunden ohne wirkliche Höhepunkte eine fulminante Bildwelt.

Das reicht aber in keinem Fall, um dem vorher von Jack wie seinem Regisseur in ihrem doppelten Egotrip behauptetem Großkünstlertum auch nur entfernt zu entsprechen oder wenigstens für die gebotenen Geschmacklosigkeiten zu entschädigen.

 

The House That Jack Built, Regie: Lars von Trier mit Matt Dillon, Bruno Ganz, Uma Thurman Siobhan Fallon Hogan u. a. (153 min)