… hat Rainer Werner Fassbinder einst Petra von Kant vergießen lassen. Das war 1972 in der kammerspielartigen Adaption seines eigenen gleichnamigen Theaterstücks: „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“. Heraus kam ein Melodram, das die Meinungen der Kritiker und des Publikums spaltete. Zu künstlich, geradezu kitschig sei es in seinen gestelzten Dialogen und enervierend langen Einstellungen, befanden die, die es ablehnten. Mit einer allein weiblichen Besetzung – unter anderem Margit Carstensen und Hanna Schygulla in jungen Jahren – beschäftigte Fassbinder sich im Film, der heute zu seinen frühen Meisterwerken gerechnet wird, mit den Wechselwirkungen von Liebe, Begehren, Macht und Abhänigkeit.
Jetzt hat der französische Vielfilmer François Ozon ein Remake des Stoffes gedreht. „Peter von Kant“ ist nach „Tropfen auf heiße Steine“ bereits seine zweite Fassbinderneuverfilmung, RWF sein erklärtes Idol. Um diesem die Hommage auf den Leib zu schneidern, hat Ozon den Großteil der Frauen aus der Vorlage in Männer verwandelt. Sein Hauptdarsteller Denis Ménochet darf sich dabei in körperbetonter Darstellungsarbeit immer weiter ans Original annähern und gleicht Fassbinder zuletzt tatsächlich in Aussehen und kolportiertem Betragen weitgehend. Auch sonst gibt es einiges an Reminiszenzen, etwa wenn Isabell Adjani auf Deutsch singt „Jeder tötet, was er liebt“. Der Text stammt aus einem Gedicht von Oscar Wilde und kam als Filmmusik in RWFs letztem Geniestreich „Querelle“ zum Einsatz.
Bei diesem Meisterwerk aus dem Todesjahr 1982 bedient sich Ozon denn auch darüber hinaus, vor allem, wenn er die Bilder seines Films durchgehend in rotem und blauem Licht tränkt. Das hat unter anderem auch Wong Kar-Wai schon getan, selbst ebenfalls ein großer Fassbinder Fan. Und bei aller Artifizialität ergibt das immer wieder eine gute Wirkung.
Das Problem ist nur, dass diese Wirkung hier allein dem besseren Wegschauen des Ganzen dient. Diesem Ziel dient auch die Straffung der Dialoge und damit die Verkürzung der Einstellungslängen. Insgesamt ergibt sich hierdurch eine um eine halbe Stunde kürzere Laufzeit. Auch das lässt sich als Versuch der Steigerung der Convenience des Publikums interpretieren und somit als äußerst zeitgemäß auffassen.
Verstehen lässt sich Ozons Projekt einerseits vor allem als erneute Verbeugung vor einem der Großen seiner Zunft. Allerdings misslingt sie auch hier. Fassbinder ging es beim Tränenvergießen seiner Heldin nicht zuletzt darum, auch sein eigenes Verwickeltsein in den Zustand der Welt, wie sie ist, zu beschreiben. Das heißt hier, die eigene Stellung innerhalb der selbst um sich gescharten Filmfamilie und der in ihr bestehenden Hierarchien und (auch: sadomasochistischen) Zumutungen sichtbar zu machen. Fassbinder spielte also mit Einsatz. Das ist, was seinen Film zu großer Kunst macht.
Ozon möchte das (vielleicht/wahrscheinlich) ein weiteres Mal konkret herausarbeiten und verdeutlichen. Dabei gelingt ihm aber nur eine Fleißarbeit, kein eigenes Werk. Zur Sache scheiternder männlicher Selbstherrlichkeit und toxischer Männlichkeit in Produktionszusammenhängen hat er nichts beizutragen. Und die eigene Person hinterfragen und in die Arbeit einbringen, liegen ihm ebenfalls fern. Dadurch wird die Hommage in ihrer Artigkeit aber dem ganz und gar nicht artigen RWF kein bisschen gerecht.