Was sich anlässt wie eine Studie über das Leben mit einem autistischen Kind, mutiert unter der Regie von Tony Goldwyn zum Buddy-Road-Movie mit Happy-End von der Hollywood-Stange. Über drei Generationen, in denen Väter ihren Söhnen wenig Brauchbares mit auf den Weg geben, erzählt „Ezra“, wie es der deutsche Titelzusatz „Eine Familiengeschichte“ nahelegt, in der Hauptsache mal wieder davon, wie schön die Welt sein kann, wenn Mutter, Vater und Kind nur zueinanderstehen.
Ezra (William A. Fitzgerald) ist ein schlagfertiger, freundlicher Elfjähriger mit drei Handicaps. Erstens macht es ihm seine Störung im Autismus-Spektrum unmöglich, sich umarmen zu lassen, Bananen zu essen oder Besteck aus Metall zu verwenden. Wobei zweitens sein Drang, stets wahrhaftig zu sein, immer wieder zu komplizierten Situationen führt, die ihn und seine Umwelt mitunter überfordern.
Väter als Lebenshandicaps
Ezras drittes Handicap ist sein Vater Max (Bobby Cannavale). Der kann es nicht ertragen, wenn Außenstehende die Einschränkungen seines geliebten Sohnes ansprechen oder gar Ratschläge parat haben. So reagiert er auf den Vorschlag, den Jungen auf eine Förderschule zu schicken, reflexartig mit Ablehnung – selbst wenn dieser von Pädagogen oder Ärzten kommt.
Dabei wird Max zuweilen handgreiflich. Mit seiner Unbeherrschtheit hat er nicht nur seine Ex-Frau Jenna (Rose Byrne) zur Scheidung veranlasst, auch für Ezra verschlimmert sich die Lage: Ihr Streit um den richtigen Umgang mit ihm eskaliert. Das Handicap des Films ist allerdings, dass er aus dieser eigentlich hochspannenden Situation nichts zu machen weiß. Obwohl die Charaktere beste Voraussetzungen für eine berührende Geschichte bieten – doch anstatt sie zu nutzen, verzettelt sich Regisseur Tony Goldwyn zusehends.
Von der Autismus-Studie zum Buddy-Road-Movie
Dabei vergräbt er sein Anliegen, für das Thema Autismus zu sensibilieren, immer mehr unter zusätzlichen Handlungssträngen, die dem Kern seiner Geschichte ganz äußerlich sind und wie unnötig aufgepfropft wirken. So spiegelt sich die Beziehung von Ezra und Max in der von Max und seinem Vater Stan (Robert De Niro), einem exzentrischen früheren Koch. Bei ihm zieht Max nach seiner Trennung von Jenna wieder ein – was vom Thema des Films eher wegführt.
An der Generationenfolge Stan-Max-Ezra dekliniert Regisseur Goldwyn nun durch, wie Versäumnisse weitergegeben, aber auch neue Ansätze gewagt werden. Stan wie Max dürfen einsehen, dass meist eher Väter als ihre Söhne die Problem verursachen. Dagegen erweist sich Jenna als das mütterliche Herz der Familie, deren Bedeutung alles andere überstrahlt.
Rührselige Familien-Feier
Wobei die Darsteller sich beeindruckend ins Zeug legen. Insbesondere der junge William Fitzgerald, selbst Autist, überzeugt und bezaubert bei seinem Leinwand-Debüt. Dazu gibt einige witzige Szenen und anrührende Momente, etwa Cannavales Auftritt als Comedian. Dennoch gelingt es Goldwyn nicht, authentische Einblicke in das Familienleben mit einem autistischen Kind zu geben.
Stattdessen wird der Film, je länger er läuft, immer mehr zur rührseligen Hollywood-Standardware. Wie im Mainstreamkino üblich, preist er die alles heilende Kraft und Macht der Familie. Das ist meilenweit entfernt vom schonungslosen Realismus eines Films wie „Systemsprenger“ (2019). Dessen Regisseurin Nora Fingscheidt ließ das Publikum die Herausforderung durch ein Kind, dass alle Grenzen und Hilfsangebote der Normalität sprengt, tatsächlich hautnah als Zumutung erleben.
Ezra – Eine Familiengeschichte, Regie: Tony Goldwyn (101 Min.) mit: Bobby Cannavale, William A. Fitzgerald, Robert De Niro, Whoopi Goldberg u. a.