Spot an auf das gequälte Gesicht von Pamela Anderson als Showgirl Shelly Gardner. Es ist ihr erstes Vorsprechen seit Jahren. Sie wirkt verunsichert, die Fragen aus dem Dunkel des Raums sind schonungslos. Sie findet nicht den richtigen Ton, plappert nervös vor sich hin, lügt über ihr Alter. Sagt zunächst, sie sei 36, merkt, dass man ihr das nicht abnimmt, und korrigiert sich auf 42. In Wahrheit ist sie 57. All das fühlt sich wie die Erniedrigung an, die es ist.

Seit 30 Jahren steht Shelly als Tänzerin im knappen Strasskostüm Abend für Abend in Las Vegas auf der Bühne. Der Nimbus der Show- und Glücksspielmetropole verleiht auch ihrem Leben Glanz. Schließlich hat die Stadt sie und ihre Kolleginnen, wie sie sagt, immer wie Filmstars behandelt. Sie sieht sich als Verkörperung des US-amerikanischen Showgirls, als Botschafterin für Stil und Anmut. Die Ursprünge ihrer Kunst reichen in Shellys Vorstellung durch Zeit und Raum mindestens bis in die vierziger Jahre zurück auf die Bühne des Lido in Paris. Die Auftritte, die Kostüme und die Freundschaften unter den Showgirls sind alles, was auf der Welt für sie zählt. Dafür hat sie einst sogar die eigene Tochter in die Obhut ihrer Schwester gegeben.
Trotz gegen den Wandel
Dabei stellt sie durchaus fest, dass sich die Sitten mit den Jahren verändert haben. Die jüngeren Tänzerinnen zeigen Moves und Posen, die Shelly als unangemessen pornographisch empfindet. Doch auch das steigert für sie eher den Wert der eigenen Arbeit, als dass sie darin eine Bedrohung erkennt. Dann allerdings verkündet Eddie (Dave Bautista), der nicht nur der Produzent der „Razzle Dazzle“-Revue, in der Shelly auftritt, sondern auch ihr Ex ist, dass die Show mangels Zuschauern eingestellt wird. Die Vegas-Nostalgie zieht nicht mehr, explizitere Formate der Erwachsenenbespaßung sind angesagt. Für Shelly bricht die Welt zusammen. Es bleiben gerade mal zwei Wochen bis zur finalen Vorstellung; Zeit, die es in Würde zu überstehen gilt, und um sich etwas Neues zu suchen.
Gia Coppola, Enkelin von Francis Ford Coppola und Nichte von Sophia Coppola, inszeniert den ehemaligen „Baywatch“- und „Barb Wire“-Star Anderson in „The Last Showgirl“ als eine Frau, die davon lebt, gesehen zu werden und sich durch die Blicke anderer schön zu fühlen. Vor allem aber zeigt Coppola sie als verzweifelt, fahrig und in vielerlei Hinsicht hoffnungslos.
Nach ersten Screenings bei den Filmfesten in Toronto und San Sebastian im vergangenen Jahr war zu lesen, „das Sexsymbol der neunziger Jahre“, lange Zeit mehr oder weniger hauptberuflich Celebrity, feiere nun endlich als Charakterdarstellerin den Durchbruch auf der Leinwand, der seit langem ausstehe.
Ähnlich wie Demi Moore mit ihrem Auftritt im Body-Horror-Kracher THE SUBSTANCE (2024) erfinde Anderson sich noch einmal ganz neu, selbstverständlich gegen alle bisher gültigen Klischees. Während allerdings Moore in THE SUBSTANCE oder auch Nicole Kidman in BABYGIRL (2024) tatsächlich eine ganz eigene Bissig- und Biestigkeit in Hinblick auf Fragen von Alters- und Geschlechtsdiskriminierung entwickeln können, belässt Coppola es für Anderson bei einem melancholischen Abgesang auf ein verpfuschtes Leben.
Sonnenuntergang über tristen Zukunftsaussichten
Basierend auf dem Theaterstück „A Body of Work“ von Kate Gersten, die auch das Drehbuch für den Film verfasst hat, stellt der Film seine Protagonistin in den Mittelpunkt. Während die Show selbst, um die sich alles dreht, aus gutem Grund bis kurz vor Schluss unbebildert bleibt, zeigen schnell geschnittene Bildfolgen Shelly beim aufwendigen Ankleiden und Schminken vor dem Auftritt oder beim Abendessen mit der Wahlfamilie.
Häufig stiert Shelly aber auch nur einsam auf dem Strip im Sonnenuntergang vor sich hin, während sie über ihre triste Zukunft sinniert. Neben einer sehr offen zur Schau getragenen Verletzlichkeit, nervöser Anspannung und plötzlichen Ausbrüchen von Euphorie scheint die Bandbreite von Andersons darstellerischen Möglichkeiten doch begrenzt – was allerdings auch daran liegen kann, dass die Story wenig anderes fordert.
Mit Bautista als äußerlich bärigem, emotional jedoch wenig robustem Ex, der aber allzeit bereit ist, Verständnis für Shelly und die anderen Tänzerinnen aufzubringen, Jamie Lee Curtis als bester Freundin Annette sowie Kiernan Shipka und Brenda Song als von Shelly bemutterten Kolleginnen hat Coppola eine starke Riege an Nebendarstellern oder – wie es im Englischen treffender heißt supporting actors – zusammengestellt.
Jamie Lee Curtiz stiehlt die Show
Schade ist dann allerdings, dass deren Rollen wenig entwickelt werden. Insbesondere Curtis als Cocktail-Kellnerin mit von der Sonne so orangerot gegerbtem Gesicht, dass selbst Donald Trump neben ihr blass wirken würde, überstrahlt als schon vor einiger Zeit aussortiertes, dauertrinkendes und -rauchendes Glamourgirl die Szenen, in denen sie erscheint. Vielleicht wäre die Erzählung stärker geraten, wenn die Figur der Annette stärker in den Fokus gerückt worden wäre.
Schließlich hat sie, die sich mit schlecht bezahlten Servicejobs mehr schlecht als recht über Wasser hält und regelmäßig beim Glücksspiel ihre spärlichen Einnahmen verliert, einen der eindrücklichsten Momente im Film: Zu Bonnie Tylers sowieso schmerzhaft überstrapaziertem Achtziger-Jahre-Hit „Total Eclipse of the Heart“ legt sie in ihrem lächerlich sexistischen Kellneroutfit im Kasinofoyer eine Tanzeinlage hin, die tatsächlich nur als gnadenlos uneitle, halluzinatorische Performance jenseits der Selbstaufgabe bezeichnet werden kann. Doch so recht weiß Coppola damit anscheinend nichts anzufangen. Die Kamera schwenkt weg und lässt den verlorenen Charakter zurück.
Viele Möglichkeiten werden verschenkt
Auch Shellys Beziehung zu Tochter Hannah (Billie Lourd), die eines Tages wieder vor der Tür steht, könnte prinzipiell interessant sein, wenn sie etwas ernsthafter behandelt würde. Im Film dient sie vor allem als Aufhänger für Selbstgespräche Shellys über verpasste Chancen. Sie weiß, dass sie als Mutter versagt hat, aber auch, dass sie nicht anders handeln konnte. Der Rausch, sich vor den Augen des Publikums immer wieder überlebensgroß selbst zu stilisieren, ist immer stärker gewesen als alle anderen Empfindungen. Die grausame Rache des Lebens ist nun, dass Hannah irgendwann völlig unverhofft in der Show sitzt. Und sie ist alles andere als angetan von dem, was sie sieht. Dass sie ausgerechnet für dieses, wie sie findet, peinliche Engagement der Mutter ein Leben lang hat zurückstehen müssen, lässt sie den Kontakt zu Shelly voller Wut abbrechen. Was verständlich ist, allerdings wenig später schon wieder viel weniger nachvollziehbar aufgehoben wird.
Trotz einiger starker Szenen wirkt THE LAST SHOWGIRL wie ein Sammelsurium halbgarer Ideen. Der Mut, mit dem Darren Aronofsky den alternden Mickey Rourke in THE WRESTLER (2008) inszenierte, fehlt Coppola vor allem am Ende. So ergibt sich aus den Momentaufnahmen in weichgezeichneten 16-mm-Film-Bildern, die Las Vegas als verblassende Stadt der Träume die meiste Zeit über in Unschärfen verschwinden lassen, vor allem ein Abgesang auf eine Ära des Showbiz, von der ebenfalls nicht einfach gesagt werden kann, dass alles an ihr makellos gewesen sei. Die Atmosphäre des Verlusts, die sich leicht auch auf andere Bereiche der US-amerikanischen und insgesamt spätkapitalistischen Realität übertragen lässt, wird aber immerhin wirkungsvoll gebannt. Was auch nicht nichts ist.
THE LAST SHOWGIRL (USA 2024, 88 min.). Buch: Kate Gersten. Regie: Gia Coppola mit: Pamela Anderson, Jamie Lee Curtis, Kiernan Shipka u. a.