»Kommt dir etwas in die Quere: Leg es um!« lautet das Lebensmotto des Industriemoguls Anatole »Zsa-Zsa« Korda, gespielt von Benicio del Toro. Der internationale Geschäftsmann und Freigeist auf den Gebieten Rüstung und Luftfahrt hat es in einem fiktiven Europa der fünfziger Jahre zu großem Reichtum gebracht und sich dabei etliche Feinde gemacht. Die trachten ihm nun nach dem Leben. Sein Äußeres, stets zerzaust, zerbeult und zugeschwollen, zeugt von gescheiterten Attentaten auf ihn. Doch auch er selbst kämpft mit harten Bandagen. So setzt er in Verhandlungen immer wieder exzessive Schreiattacken ein, wenn Geschäftspartner auszusteigen drohen und auch ein Präsent aus dem stets mitgeführten hölzernen Handgranatenkoffer sie nicht beschwichtigt.

Sentimental wird er, wenn er nicht übers Geschäft und zu erreichende Ziele, sondern über den Sinn dahinter und sein versäumtes Familienleben nachdenkt. Damit reiht Zsa-Zsa sich als Hauptfigur in Wes Andersons neuem, zwölftem Spielfilm THE PHOENICIAN SCHEME – auf Deutsch noch sperriger mit DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH betitelt – in die Reihe der Patriarchen und Großunternehmer ein, die das Werk des Regisseurs und Autors von RUSHMORE (1998) über DIE ROYAL TENENBAUMS (2001) und DIE TIEFSEETAUCHE (2004) bis zu THE FRENCH DISPATCH (2021) bevölkern.

Benicio del Toro als Zsa-Zsa Korda mit Tochter und Sekretär
Benicio del Toro als Zsa-Zsa Korda mit Tochter und Sekretär. Bild: Courtesy of TPS Productions/Focus Features, © 2025 All Rights Reserved.

Gleich zu Beginn überlebt Zsa-Zsa seinen sechsten Flugzeugabsturz. Der wird von finsteren Mächten herbeigeführt und von Musik aus der Feder des Komponisten Alexandre Desplat treibend unterstützt. Man fühlt sich an Lalo Schifrins »Mission: Impossible«-Thema erinnert. Seit DER FANTASTISCHE MR. FOX (2009) ist Desplats Musik ein wichtiger Teil des Anderson-Universums. Inklusive einer Explosion, die den Sekretär des Tycoons blutig der oberen Hälfte seines Körpers beraubt, ergibt das einen fulminant-actionreichen Start. Noch radikaler als in früheren Arbeiten unterwirft der Regisseur jedoch alles seinem kulissenhaften Stil, in dem jedes noch so kurz auftauchende Detail mit einer abstrusen Bedeutung aufgeladen ist. Seit Jahren schon streiten Bewunderer und Verächter des Regisseurs darüber, ob das nun genial oder das Ende des Kinos als einer Welterkundungsmaschine im Sinne Godards ist.

Experimente und Skurrilitäten

In seinen beiden jüngsten größeren Filmen hatte Anderson mit neuen Erzählweisen experimentiert. THE FRENCH DISPATCH als sentimental grundierte Verabschiedung des Zeitungswesens kam als Omnibusfilm im Magazinformat daher und kombinierte leichthändig ein Kunstessay und eine Reportage über den Pariser Mai mit einer wüsten Gangsterpistole im Comicstil (Jungle World 42/2021); ASTEROID CITY spielte in einer metaphysischen Wüste, in der die nukleare Bedrohung des Kalten Kriegs zu existentieller Einsamkeit gerann. Den Protagonist:innen fiel es schwer, ihr Empfinden in Sprache zu übersetzen, was zu komplizierten Konstellationen führte, die durch mehrere Rahmenhandlungen zusätzlich gebrochen wurden.

Von den üblichen Skurrilitäten abgesehen, kommt DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH dagegen wieder praktisch ohne Verfremdungseffekte aus und erzählt mit hoher Geschwindigkeit und bisweilen so rumpelig wie die im Film zur Fortbewegung genutzten Fahr- und Flugzeuge von der Annäherung eines Tycoons alter Schule an seine seit Jahren vernachlässigte Tochter. Da er aufgrund seiner Machenschaften fürchten muss, irgendwann einem Mordanschlag zum Opfer zu fallen, möchte er Tochter Liesl (Mia Threapleton) sein gesamtes Erbe vermachen. Und das, obwohl er neun weitere Kinder hat, Liesl als Nonne allem irdischen Besitz entsagen will und die junge Frau wenig begeistert von seinen väterlichen Anwandlungen ist. Immerhin verdächtigt sie ihn, ihre Mutter getötet zu haben. Das streitet er ab, gibt aber zu, einiges auf dem Kerbholz zu haben, das ihr nicht gefallen dürfte. Dann verspricht er, den wahren Mörder der Mutter zur Rechenschaft zu ziehen, wenn die Tochter mit ihm eine Reise unternimmt.

Insektenkunde und Skrupellosigkeit

Dritter im Bunde ist sein neuer Sekretär Bjørn Lund (Michael Cera), der zugleich als Hauslehrer mit dem Fachgebiet Insektenkunde fungiert. Mit seltsam skandinavischem Akzent und nach drei Gläsern Bier reichlich redselig gesteht er Liesl bald seine Liebe. Doch auch dem Vater bleibt er loyal, wenngleich sein Charakter noch einige Überraschungen bereithält.

Die Reise, auf die sie sich begeben, um Zsa-Zsas letzte große Idee zu verwirklichen, nimmt unter anderem bei »Tim und Struppi«-Abenteuern, CASABLANCA und LAWRENCE VON ARABIEN Anleihen. Es geht um ein gigantisches Bau- und Infrastrukturprojekt in dem mittelöstlichen Staat Neu-Großphönizien, das dem Film seinen Titel gibt: den »Korda-Land-und-Meer-Phönizische-Infrastruktur-Meisterstreich« zur Erschließung einer lange vergessenen, doch potentiell äußerst ertragreichen Region. Zsa-Zsa schreckt dabei weder vor dem Einsatz von Sklavenarbeit zurück noch vor einer künstlich herbeigeführten Hungersnot.

Um was es im Einzelnen geht, versucht der Vater seiner Tochter anhand einer Vielzahl von in Schuhkartons zusammengestellten Zetteln, Urkunden und Artefakten nahezubringen, aber weder den Plan noch die Intrigen der Gegenseite muss man wirklich verstehen. In der Hauptsache dient alles dazu, das Trio mit Familienangehörigen, Partnern und Feinden zu konfrontieren, die sie wahlweise betrügen, hängenlassen oder ermorden wollen. Das Tom Hanks, Scarlett Johansson und vielen weiteren Stars Kurzauftritte, bei denen Meinungsverschiedenheiten auch mal wie in einer Samstagabendshow durch ein ungleiches Baseball-Match ausgetragen werden. Beim Endgegner Onkel Nubar (Benedict Cumberbatch) braucht es allerdings noch mehr todesmutigen Körpereinsatz …

Virtuosität und Tiefe

Im engen Akademie-Format arrangiert Anderson die Welt wie gehabt graphisch-mittelaxial in vorzugsweise pastelligen Farben. Durch die wie immer aufwendig gebauten Bilder bewegt sich die Kamera in ausnahmslos geraden Fahrten und rechten Winkeln. Eine Szene, in der Korda in einer steilen Aufsicht in seinem Bad in der Badewanne verarztet und gepflegt wird, bildet den kaum zu übertreffenden Höhepunkt an ordnungsversessener Bildkomposition. Das Fliesenmuster des Raums fungiert als Raster, auf dem alle Gegenstände symmetrisch an den Rand gerückt angeordnet sind. Nicht von ungefähr dient diese Einstellung auch als Hintergrund für die Einblendung der Titel und als eines der Plakate zum Film.

DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH strotzt vor wüsten Abenteuern und lakonischen Gags. Durch zahlreiche Nahtoderfahrungen, die den Geschäftsmann vor ein in Schwarzweiß gehaltenes Jüngstes Gericht bringen, muss der Protagonist sich zudem der Verantwortung für seine Taten stellen. Dass es sich beim Film auch um eine ironische Selbstbefragung Andersons handeln könnte, legt das eingangs erwähnte Motto nahe. Im englischen Original lautet es: »If something gets in your way, flatten it!« Und was schließlich hat der Meisterregisseur in seiner Kunst von Anfang an anderes versucht, als die Welt flach zu machen?

Trotz des Überflusses an bildnerischen Ideen, des Tempos und der großartigen Darsteller stellt sich das Gefühl ein, dergleichen im Anderson’schen Werk schon berührender gesehen zu haben. Mag sein, dass es angesichts einer realen Welt, in der die Superschurken des Raubtierkapitalismus sich zu Staatenlenkern aufgeschwungen haben, einfach nicht mehr ausreicht, bunte Abenteuer über Schufte mit gutem Kern im tief verborgenen Innern zu erzählen. Bei aller aufgebotenen Virtuosität schien Andersons Kunst in ASTEROID CITY bereits deutlich weiter.

DER PHÖNIZISCHE MEISTERSTREICH (USA/D 2025). Buch und Regie: Wes Anderson mit: Benicio del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Tom Hanks u. a.