Identität und Tradition. Der dritte Tag strahlenden Winterwetters. Endlich. Auf dem Weg in die Agentur, die alte, zur Urlaubsvertretungsbesprechung für eine Woche. Warum nicht?

Eine ganz andere Art der Annäherung an soziale und sonstige Realitäten als die zuletzt besprochenen gab es gestern Abend an der Volksbühne, wo René Pollesch mit „Kill your Darlings“ einmal mehr ein Stück aus seinem Diskurzversatzstück-Zauberkasten montiert und diesmal mit einem halbnackten Fabian Hinrichs, einem Krakenkostüm, Brechtverweisen und einem (fast) stummen TurnerInnen-Chor versetzt hatte. Die allenthalben eher schlechten Kritiken rühren wohl vor allem daher, dass das eingangs erläuterte Programm des Stücks von den RezensentInnen nicht ernst genommen wurde:

„Die besten Szenen werden Sie heute Abend nicht sehen, denn die würden wir alle nicht ertragen. Deswegen heißt der Abend: Kill your Darlings. Die besten Szenen werden wir heute Abend nicht zeigen, denn die könnten wir gar nicht ertragen. Ich auch nicht, ich könnte nie wieder ein Theaterstück spielen, und Sie könnten nie wieder in einen Theaterabend hineingehen, weil: Sie haben das Beste bereits gesehen, und Sie werden es nie wieder erleben, deswegen haben wir die Spitzen abgeschnitten, denn die sind nicht zu leben.“

Klingt ja – bei aller Theater-Selbstreferenzialität – auch erstmal bisschen billig. Wird aber durch die turnerisch körperskulpturale Erzeugung einer Utopie freien Spiels ohne Sprache konterkariert, von der es dann heißt, die habe man eigentlich gar nicht zeigen dürfen. Womit dem Polleschschen Diskurstheater in der Tat ein erweiterndes Moment hinzugefügt wird, das über den Woody-Allen-Witz seiner sonstigen Stücke hinausgeht. – Verhandelt werden selbstverständlich dieselben Fragen wie immer: Kapitalismus, Identiät, Vernetzung kontra kollektives Wir, Mittelmäßigkeit und die Liebe. Sind ja durchaus auch Themen, über die man hin und wieder nachdenken kann. (Und wenn man seinen Weg erstmal gefunden hat, muss man vielleicht auch nicht jedes Mal wieder ganz neu ansetzen, sondern kann sich der Verfeinerung der Mittel widmen, oder!?)