Acht Jahre nach dem mit wenig Begeisterung aufgenommenen Ausflug ins Thrillerfach mit „The Tourist“ (2010) wendet sich Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem neuen Film erneut der Bebilderung deutscher Geschichte zu. Damit kehrt er zum Sujet seines Oscar prämierten ersten Langfilms „Das Leben der Anderen“ (2005) zurück und weitet den Blickwinkel. Gleich drei Epochen mit ihren Systemen und Lebenswelten betrachtet „Werk ohne Autor“.

Neben Politik, Ideologie und Widerständigkeit rücken diesmal die Kunst und ihre Wahrheit ins Zentrum. Der in großem Bogen erzählte Werdegang des Malers Kurt Barnert (als Erwachsener: Tom Schilling) orientiert sich dabei deutlich an Lebensweg und Werk Gerhard Richters.

Die „wahre“ Geschichte

Mit ihm hat Henckel von Donnersmarck in Vorbereitung des Films Originalschauplätze der Handlung zwischen Dresden und Düsseldorf besucht – um anschließend aus den Rechercheergebnissen die, wie er sagt, eigentlich „wahre Geschichte“ zu destillieren. In anderen Worten: die Geschichte, wie sie hätte sein sollen, um zur Filmerzählung zu taugen.

Und genau darin liegt die Krux des Films. Von der ersten Minute an will er dem Zuschauer seine Sicht der Welt vorführen und verkaufen. Bereits die didaktische Auftaktszene macht klar, wie im weiteren Verlauf die Frontstellung zwischen Obrigkeit, Mitläufern und Künstlergenie verlaufen wird.

Als nationalsozialistisch geschulter Kunsthistoriker führt Lars Eidinger hier durch die „Entartete Kunst“-Ausstellung und scheidet – für den Zuschauer natürlich sofort nachvollziehbar falsch – Gutes von Verdorbenem. Aus der Gruppe, die sich das anhört, stechen allein der sechsjährige Kurt (als Kind: Cai Cohrs) und die von bewunderte und zu Eigensinn und Schwelgerei neigende junge Tante Elisabeth (Saskia Rosendahl) hervor; alle anderen trotten stumpf ihrem Führer hinterher, während Kurt im Angesicht der Kunst der Mund offen stehen bleibt.

Gut, Böse, Genie

Es geht um den Kampf der Empfindsamen gegen Nazis und Systemprofiteure mit ihren kunst- und lebensfeindlichen Anschauungen. Personell wie ideologisch werden letztere den Übergang in die auf die Kriegsniederlage folgenden Gesellschaftsmodelle mehr oder weniger problemlos bewältigen und dort weiter ihre Verbindungen knüpfen und ihre Stellungen festigen.

Die Eigensinnigen, die sich nicht vereinnahmen lassen wollen oder können, werden dagegen entweder bald – wie Tante Elisabeth – von den Nazis ermordet oder aber – wie der Vater – wenig später in der DDR in Selbstaufgabe und Freitod getrieben.

Nur in schicksalsbegünstigten Ausnahmefällen und mit viel Talent und Besessenheit kann gelingen, was Kurt Barnert schließlich schafft, nämlich die Selbstrettung durch Verwandlung in ein gefeiertes Künstler-Genie. Eine weitere und entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass er sich gerade noch rechtzeitig in den Westen absetzt und dort an der Düsseldorfer Kunsthochschule das ihm gemäße Umfeld findet.

Das Werk und der Kitsch

Hier verhilft ihm die Kritik seines Mentors Professor van Verten – einer der Höhepunkte des Films: Oliver Masuccis an Joseph Beuys angelehnte Kunstprofessoren-Performance – zunächst zu einer Schaffens- und Identitätskrise, dann aber auch zur eigenen Ausdrucksform: Fotorealistisch bannt Kurt einzelne traumatische wie erotische Erlebnisse seines Lebens auf die Leinwand, schichtet sie neben- und übereinander und verleiht ihnen im Nachgang eine künstliche Unschärfe.

So speichern seine Arbeiten zwar wie der Film eine Menge Leid, Unheil, Zeitgeschehen und Nacktheit, verweigern sich jedoch – wie der Künstler selbst – jeder politischen Analyse oder Erklärung.

Allen überzeugenden schauspielerischen Leistungen und vereinzelten schönen Einfällen zum Trotz bleibt der Film so zuletzt im Kitsch stecken und hinterlässt einen fahl relativistischen Beigeschmack. Zu sehr und viel zu glatt ordnen sich alles Grauen und jede Wendung der Idee unter, den gesamten Wahnsinn und die Tragik des 20. Jahrhunderts an den erzählten individuellen Schicksalen fest- und erfahrbar zu machen.

Relativierung und Weichzeichnung

Dafür werden mit sehr viel Aufwand Zeitkolorit und Authentizität behauptet. Insbesondere Szenen wie die blockbusterhafte Bombardierung Dresdens zeigen aber, dass es letztlich eher um emotionale Überwältigung des Zuschauers denn um Durchdringung des Stoffs geht.

Ein ums andere Mal wäre hier weniger mehr gewesen. Zumal die Bombardierung der Elbmetropole auf unangenehme Weise mit der Ermordung Tante Elisabeths im Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten vermengt wird. Völlig unterschiedliche Sachverhalte und Verantwortungen werden so auf sattsam bekannte Art und Weise eingeebnet zum allzu allgemeinen Testament von Schrecken und Kriegsgräueln.

Auf der anderen Seite hätte es bei der Erzählweise durchaus einiger Ideen mehr bedurft. Viel zu betulich wird durchgehend eine Station an die andere gereiht. Kaum einmal wird der allzu deutlich sichtbare Wille, klassische Kinobilder zu gestalten, gebrochen. Zudem leiden die zahlreichen Sexszenen zwischen Kurt und seiner Freundin und schnell auch Frau Ellie (Paula Beer) unter einer fast verklemmten, in warmen Tönen gezeichneten Einfallslosigkeit.

Das Werk in seiner Zeit

Zusätzlich negativ fällt in diesem Zusammenhang das Rollenverständnis des Films auf: Frauen kommen allein als Stichwortgeberin, Lockung oder Unterstützerin des männlichen Genies beziehungsweise Unholds vor. Männer machen die Geschichte und halten sie in ihrer Kunst für die Nachwelt fest. Dass Ellie zunächst als Modestudentin im höheren Semester auch mit eigener Passion eingeführt wird, gerät schnell in Vergessenheit: kein Gütesiegel für einen Film in Zeiten von #metoo und den Folgen!

Den ganz großen Wurf hat Henckel von Donnersmarck hier abliefern wollen. Weder an erzählenswerten Schicksalen noch an tollen Darstellern hat es dafür gemangelt, und das Budget scheint ebenfalls gereicht zu haben. Dass dann bei so viel Ehrgeiz und so wenig Finesse nicht mehr herausgekommen ist als ziemlich großer Mist, ist wirklich schade.

Genauso, wie dass die Organisation German Films das Werk als deutschen Vorschlag für die Nominierung als „Bester fremdsprachiger Film“ bei den Academy Awards 2019 ins Rennen schickt. Dabei entstehen doch auch hierzulande große Filme. Im Idealfall sogar mit kleinen, dafür aber intelligent eingesetzten Mitteln.