Wie immer schreiben auch alle anderen fleißig weiter Bücher. Zum Beispiel Klaus Theweleit, seines Zeichens seit zirka 40 Jahren Theorie-Solitär. Seine sich um die Erfindung des Speichersystems Vokalalphabet und dessen Erfindung drehenden Wellenroman „a – e – i – o – u“ habe ich für den Dschungel besprochen. Hauptsächlich geht es um die Abrechnung mit dem einstigen Weggefährten und Freund Friedrich Kittler, beziehungsweise dessen späten Turn hin zur bedingungslosen Feier von Griechentum und damit einhergehendem Großkünstlertum. Daran anschließen lassen sich prima Assoziationsketten zu Frauenfeindlichkeit und Patriarchat bis hin zum heutigen Zustand von Politik und Welt sowie Putins Krieg. Unterhaltsam.

Auch mit Sprache und dem, was mit ihr sagbar ist, beschäftigt sich Necati Öziri in seinem Roman „Vatermal“, mit dem er es im letzten Jahr bis auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat. Ein sterbender Sohn hält Zwiesprache mit dem abwesenden Vater, der früh die Familie verlassen hat. Es geht um Aufwachsen, das Gefühl von Fremdsein in der Welt und Rassismus, für den es keine Worte gibt.

Necati Öziri bei „Nachsitzen“ in der Kepler-Schule

Öziri tourt mit dem Buch verdienter Weise unter anderem durch Schulen und machte am vergangenen Freitag, 3. Mai an der Kepler-Schule in der Köllnischen Heide Station. Diese Oberschule zwischen den so genannten sozialen Brennpunkten High-Deck-Siedlung und Weiße Siedlung am unteren Ende der Neuköllner Sonnenallee ist genau der richtige Ort, um ein solches Buch vorzustellen. Die von der Schule und ihrer Schulleiterin Nadine Düppe iniziierte Reihe „Nachsitzen“, mit der Schüler:innen und interessierten Nachbarn Literatur nahegebracht werden soll, ist jedenfalls absolut verdienstvoll.