Es klingt nicht nach schöner Arbeitswelt 4.0, ist aber Teil ihrer Realität. Zum Tod des Gewerkschafters Adil Belakhdim, der während einer Streiks in der Logistikbranche vor einem italienischen Lidl-Verteilzentrum überfahren wurde, als ein LKW-Fahrer mit Vollgas den Streikposten durchbrach, dokumentieren wir im Folgenden die Pressemitteilung von labornet.tv:

Berlin, 29. Juni 2021

Solidaritätsaktion für Adil Belakhdim
30. Juni 2021 18:30h
vor der Lidl Filiale am Maybachufer 32, Berlin Kreuzberg

Am 18. Juni 2021 wurde der 37jährige Gewerkschafter Adil Belakhdim während des landesweiten Streiks in der Logistikbranche vor dem Lidl Verteilzentrum in Biandrate (bei Novara) getötet. Gemeinsam mit 25 streikenden Arbeiter_innen blockierte er das Tor zur An- und Auslieferung, als ein LKW-Fahrer mit Vollgas auf den Streikposten zusteuerte, um ihn zu durchbrechen. Zwei Streikende wurden durch den Angriff schwer verletzt, Adil Belakhdilm wurde überfahren und starb an Ort und Stelle.

Mit der Solidaritätsveranstaltung am 30. Juni macht ein Zusammenschluss solidarischer Menschen in Berlin darauf aufmerksam, dass Adil Belakhdim in den Kämpfen weiterlebt.

„Arbeiter_innen dürfen ihr gewerkschaftliches Engagement nicht mit dem Tod bezahlen. Lidl trägt die volle Verantwortung für das, was in seinem Verteilzentrum passiert, auch wenn der LKW Fahrer bei einem Subunternehmen angestellt war. Wir werden die Lidl Kund_innen bitten, aus Solidarität mit Adil Belakhdims Familie und den kämpfenden Belegschaften in der italienischen Logistik ein Zeichen zu setzen und an dem Tag mal woanders einzukaufen“, sagt eine Sprecherin der Initiative.

Hintergrundinformationen

Der Mord an Belakhdim ist der traurige Höhepunkt einer Welle zunehmend gewalttätiger Angriffe gegen organisierte Arbeiter_innen. So überfiel am 11. Juni eine Gruppe bewaffneter Schläger einen Streikposten bei Fedex in Lodi bei Mailand und schlug einen der Arbeiter krankenhausreif – 10 Minuten stand die Polizei daneben ohne einzugreifen. Sechs Tage vorher, am 11. Juni, wurde der Streikposten vor Texprint in Prato, wo die Belegschaft seit Januar 2021 unter dem Slogan „5 Tage 8 Stunden“ für legale Arbeitsbedingungen kämpft, ebenfalls von Schlägern angegriffen: drei derSteikenden mussten ins Krankenhaus.

Zu der illegalen Repression kommt die staatliche Repression in Form von Hausdurchsuchungen, Platzverweisen, Einschränkungen der Versammlungsfreiheit, Tränengas, Verbannungen aus dem Heimatort, Verhaftungen aufgrund fingierter Vorwürfe etc.

Hier eine Auswahl von Video zum dem Thema: https://de.labournet.tv/videos/si-cobas

Adil Belakhdim war Sekretär der Basisgewerkschaft SI Cobas, in der sich vor allem migrantische Arbeiter_innen in der Logistikbranche (Warenlager) erfolgreich organisieren. Die Gewerkschaft SI Cobas existiert seit 2010 und hat ca. 30.000 Mitglieder. Der Großteil ihrer Mitglieder arbeiten in den Warenlagern der Poebene und haben teilweise sehr erfolgreich bessere, dem Tarifvertrag für die Logistikindustrie entsprechende Arbeitsbedingungen durchsetzen können.

Über die Streikwelle in der italienischen Logistik und die Entstehung des SI Cobas: https://de.labournet.tv/die-angst-wegschmeissen

Über labournet.tv

labournet.tv ist eine Internet-Plattform für Filme aus der Arbeiter_innenbewegung. Wir sammeln alte und neue Videos aus allen Teilen der Welt, untertiteln sie und machen sie kostenlos zugänglich. Im Zentrum stehen die Situation der Lohnarbeiter_innen, ihre Selbstorganisierung, ihre Arbeitskämpfe und die Suche nach gesellschaftlichen Alternativen. Bisher umfasst das Archiv 850 Videos aus 56 Ländern, jedes Jahr kommen 50 neue dazu.

labournet.tv wendet sich gegen das Verschwinden und Verdrängen der Perspektive jener Menschen, die den gesellschaftlichen Reichtum produzieren. http://labournet.tv