„Fünfzig Personen, darunter Kinder, die von einer Rakete getötet wurden, das ist ein Drama, ja, aber das Leben kann deshalb nicht anhalten, sonst müsste es ständig anhalten. Das ist die reine Wahrheit: Das Leben im Allgemeinen und Meditationsworkshops im Besonderen können nicht jedes Mal anhalten, wenn sich eine Katastrophe in der Welt ereignet, sonst müssten sie ständig anhalten.“ Das schreibt Emmanuel Carrère in seinem letzten, vor kurzem auch auf Deutsch veröffentlichtem Buch „Yoga“, zu dem es demnächst noch mehr zu sagen geben wird.
Auch die neuerliche Eskalation des Kriegs in der und gegen die Ukraine sollte nicht jede andere Tätigkeit anderswo zum Erliegen bringen. Schließlich bedeutete die Einstellung kulturellen Schaffens, das eben immer auch das Aufscheinen einer möglichen besseren Welt zum Ziel hat, den Sieg von Unfreiheit und Unterdrückung.
Genauso soll jedoch darauf beharrt werden, dass Werte, die man gegen die so genannten Kräfte des Bösen verteidigen möchte, nur dann als solche gelten können, wenn Politik und Zivilgesellschaft sich auch nach ihnen richten. Das scheint aber, vor allem in Anbetracht des Umgangs mit den Flüchtlingsströmen der Welt, immer weniger der Fall.
Unter anderem in der New York Times ist nachzulesen, welche Pläne derzeit im Vereinigten Königreich geschmiedet werden. Hier will man Geflüchtete nach Ruanda bringen und so die Logik der Auslagerung von zu Problemen erklärten Menschen auf der Suche nach Lebenschancen aus den reichen Zentren der Welt in sie umgebende Höllenkreise weiter forcieren. Ähnliche Strategien verfolgen neben der britischen immer wieder auch die europäische, amerikanische oder australische Politik.
Wen es trotz allem ins Kino zieht – zum Beispiel um kulturelles Schaffen und die möglicherweise in ihm geronnenen Kräfte von Rezilienz und Utopie zu stärken –, dem seien derzeit diese beiden cineastisch eigensinnigen Werke empfohlen: „The Innocents“, skandinavischer Coming-of-Age-Horror, und Jacques Audiards romantikferner Beziehungsreigen „Wo in Paris die Sonne aufgeht“.